Chronik

Eine Chronik

von Holger Keil und Hermann Kuch


Der Männergesangverein „Frohsinn“ Staudt wurde im Jahre 1896 unter dem Vorsitz von Adam Heibel gegründet. Schon vor dem offiziellen Gründungsjahr des MGV „Frohsinn“ muss in Staudt gesungen worden sein. denn in einer Zeitungsanzeige aus dem Jahre 1867 wird berichtet, dass der „Staudter Gesangverein“ für Sonntag, den 2. Juni in den Staudter Fichten an der Bodener Chaussee zum Sängerfest einlädt. Offensichtlich ist dieser Verein aufgelöst worden, da keinerlei Hinweise auf eine eventuelle Neugründung oder Übernahme existieren, eindeutig läßt sich dies aber nicht bestimmen. Ohne Zweifel jedoch ist der MGV „Frohsinn“ der älteste heute noch existierende Verein in Staudt.

Genau in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt die Gründung bzw. Neugründung des Staudter Männergesangvereins, als die Chorbewegung immer mehr anwuchs. Hans Georg Nägeli (1773 – 1836), neben Carl Friedrich Zelter Mitbegründer des deutschen Männergesangs, schrieb 1821: „Nehmt Scharen von Menschen, nehmt sie zu hunderten, zu tausenden, versucht es, sie in humane Wechselwirkung zu bringen, …habt ihr etwas anderes als den Chorgesang?“

Bei der Gründung im Jahre 1896 hatte der Verein 15 aktive Sänger vorzuweisen, wobei die Einwohnerzahl gemäß der Volkszählung vom 2. Dezember 1895 genau 378 betrug. Dies war nicht immer so seit Bestehen des Ortes, der erstmals 1367 urkundlich erwähnt ist. Der Name „Staudt“ ist von »stude« oder »stut« abgeleitet und gibt keinen weiteren Aufschluss über die Entstehung des Dorfes, da er nicht genau gedeutet werden kann. Die Staudter Bevölkerung nahm nur langsam zu, das älteste Einwohnerverzeichnis von Staudt aus dem Jahre 1589 listet gerade einmal elf Familien auf, 1684 sind es bedingt durch den 30jährigen Krieg sogar nur neun. Wie schwierig es war diese Bevölkerungsverluste aufzuholen beweist die Tatsache, daß 1786 lediglich 161 Menschen in Staudt lebten. Heute zählt die Gemeinde 1.121 Einwohner.

Von Beginn an konnte der Verein unter der Leitung hervorragender Dirigenten immer wieder großartige Erfolge verbuchen; erster Höhepunkt in der noch jungen Vereinsgeschichte war sicherlich die Ausrichtung eines Wettstreites im Jahre 1929. Es sollte bis zum Jubiläumsjahr 1996 der einzige sein und ist daher eine besondere Betrachtung wert.

Der Beschluss zur Durchführung eines Gesangwettstreites wurde bereits auf der Generalversammlung am 23. Juni 1928 mit 22 zu vier Stimmen bei zwei Enthaltungen gefasst. Daraufhin wurde ein Festausschuss gebildet, der mit der Organisation der Veranstaltung beauftragt wurde und per Rundschreiben insgesamt 233 Vereine einlud. Auf der Delegiertentagung im Saalbau König vom 20. Januar 1929 konnten neun Vereine begrüßt werden, wohl etwas weniger als erwartet. Die Westerwälder Volkszeitung berichtet: „Der Vorsitzende des Festausschußes Herr Lehrer Gerz eröffnete um 2 Uhr die Versammlung und begrüßte die Erschienenen. Herr Bürgermeister Meuer im Namen der Gemeinde, sowie Herr Kaufmann Adam Schräder aus Siershahn, der mit Herrn Lehrer Dette als Vertreter des deutschen Sängerbundes erschienen war, wünschten der Veranstaltung einen harmonischen Verlauf. Nach einer mustergültigen Debatte über die streitigen Punkte wurden die Klasseneinteilungen vorgenommen. (…) Um 6 Uhr wurde die Debatte geschlossen. Der Umsicht des Versammlungsleiters Herr Lehrer Gerz ist es zu verdanken, daß alle Teilnehmer befriedigt nach Hause gehen konnten.“

Unter dem Protektorate von Landrat Collet fand am 29. Juni bis 1. Juli 1929 der Gesangwettstreit statt, an dem sich letztendlich zehn Vereine beteiligten. Dem Kommers im Festzelt folgte tags darauf ein Festzug, an dem sich auch alle Ortsvereine und viele Nachbargesangvereine beteiligten. „Durch die festlich geschmückten Straßen wand sich der Menschenstrom zum Festplatz, wo nach einem Begrüßungschor des festgebenden Vereins und eines Prologes Herr Krankenkassenkontrolleur Steudter im Namen der Gemeinde und des Veranstalters allen Festteilnehmern den Willkommensgruß entbot. In kurzen Umrissen streifte der Redner das 30‑jährige Bestehen des Vereins, den Besuch von Wettstreiten, und wies ganz besonders auf einen friedlichen, für alle deutschen Sänger ehrenhaften Wettstreit hin.“ Wie wörtlich damals „Wettstreit“ aufzufassen war, beweist dieser Zeitungsausschnitt, in dem es weiter heißt: „Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß dieser Wettstreit keinen Zwiespalt in die Reihen der Sängerschar bringen möge, und daß man sich dem Urteil eines unparteiischen Preisgerichts unterwerfen solle.“ Die Veranstaltung war ein großer Erfolg, nach dem Ehrensingen war für reichlich Unterhaltung durch Tanz, Karussell und Schiffschaukel bestens gesorgt, es „war ein Fest wie es nur in Sängerkreisen gefeiert werden kann.“

Die kontinuierliche Aufbauarbeit, die vor allem den Dirigenten Michels und Eidt zu verdanken war, wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterbrochen. Der Probenbetrieb mußte am 26. August 1939 eingestellt werden, da zu viele Sänger zur gleichen Zeit zum Kriegsdienst einberufen wurden. 17 aktive Sänger trafen sich am 13. Januar 1946 wieder zur ersten Gesangstunde, gefallen waren acht Sänger, 15 waren vermisst oder in Gefangenschaft und drei Männer baten um Neuaufnahme. Die durchschnittliche Anzahl aktiver Sänger betrug in den Folgejahre schnell wieder 40.

Zu einem „Problem“ wurden die Feierlichkeiten anläßlich des 50-jährigen Gründungsfest am 24. und 25. August 1946, bestand doch in diesen schwierigen Nachkriegszeiten zum Feiern eher kein Anlaß. Daher beschloss der Vorstand die Festlichkeiten in einem würdigen, sprich bescheidenerem Rahmen, durchzuführen. Dem Festkommers im Lokal Neuroth folgte der eigentliche Festtag, der mit einem Gedenkgottesdienst für die Gefallenen der Gemeinde eröffnet wurde. Um 15 Uhr begann unter starker Anteilnahme der Ortsbevölkerung das Festkonzert des MGV „Frohsinn“ Staudt unter Mitwirkung der Musikkapelle Wirges.

Im Protokollbuch ist vermerkt: „Leider vergingen die schönen Stunden gar zu schnell und die Räumung des Lokals bei vorgerückter Stunde war nicht länger aufzuschieben. Der Verlauf der Feier trotz der schweren Zeit, wird manchem in guter Erinnerung bleiben und wir wollen hoffen, daß dieses nun einen guten Anfang bedeutet.“

Bereits ein Jahr nach Übernahme des Chores im Jahre 1949, führte der unvergessene Wilhelm Kirberger den „Frohsinn“ zu besonderen Erfolgen in den 50er Jahren:

1950 Wettstreit in Wirges; alle 1. Preise

1951 Wettstreit in Bad Ems; zwei 1. Preise,2. Preis, Dirigentenpreis

1952 Wettstreit in Weißenthurm; alle 1. Preise

1953 Teilnahme am Bundessängerfest in Trier

1954 Wettstreit in Höhr-Grenzhausen; alle 1. Preise

1955 Wettstreit in Elz; alle 2. Preise

1959 Wettstreit in Heimbach-Weiß; 1. Preis, 2. Preis und zweimal 4. Preis.

Nach dem Besuch des Kreisleistungssingens in Montabaur 1954 und dem Bezirksleistungssingen in Diez 1955 beteiligte sich der Chor 1956 am Bundessängerfest in Stuttgart. Zwischenzeitlich war die Chorgemeinschaft Kirberger mit den Sängern aus Siershahn, Hillscheid und Staudt gegründet worden. Die so entstandene große Sängerschar war am Bundeschorfest in Altenkirchen 1957 beteiligt. Dazwischen fanden zahlreiche Rundfunkaufnahmen durch den Südwestfunk statt, die sich in den 60er Jahren permanent fortsetzten.

Im Jahre 1964 nahm der Chor am 14. „Süddeutschen Chorfest für neue Chormusik“ in Ludwigsburg teil. Für die Fahrt erbat sich der damalige Vorsitzende Rudi Bach finanzielle Unterstützung vom Gemeinderat. Dieser beschloss einen Zuschuß in Höhe von 250,‑ DM, wobei „ein höherer Zuschuß wegen der angespannten Finanzlage der Gemeinde nicht zu vertreten war“!

Die »Ära Kirberger« endete nach dem 75-jährigen Stiftungsfest 1971. Seine ausgezeichneten pädagogischen und musikalischen Fähigkeiten haben den Chor auf einen so hohen Leistungsstand gebracht, daß in der Folgezeit viele Erfolge bei Wertungssingen verzeichnet werden konnten. Dabei ragte der Besuch des Wettstreites in Kommern am 23. September 1973 hervor; unter zehn (!) Vereinen gewann der Chor unter der Leitung seines neuen Dirigenten Kantor Reinhard Höbelt alle ersten Preise. Im Amtsblatt ist zu lesen: „Der Chor sang ‚Media Vita‘ von Sendt und das Volkslied ‚Es blies ein Jäger wohl in sein Horn‘ von Lüderitz und erzielte mit 230 Punkten in der B – Klasse (25 – 39 Sänger) mit 9 Punkten Vorsprung vor dem Zweitplatzierten den 1. Preis. Die B – Klasse war mit zehn Vereinen besetzt, darunter so bekannte Chöre wie „Frohe Stunde“ Weroth, „Eintracht“ Welschneudorf, „Bergischer Liederkranz“ Schönenbach und andere bekannte Chöre aus dem Rheinland. (…) „Dieser schöne Erfolg wurde in sehr harter Probenarbeit vorbereitet, in der der Dirigent den Sängern nichts schenkte, um so größer war natürlich die „Freude über diesen Sieg, der dann abends im Saal der Winzergemeinschaft in Dernau an der Ahr gebührend gefeiert wurde“. In den darauffolgenden Jahren besuchte der MGV -mit wenigen Ausnahmen- jährlich einen Wettstreit und selbst Schallplattenaufnahmen, wie anläßlich eines Passionskonzertes in der St. Suitbertus-Kirche zu Rheinbrohl zum 110-jährigen Jubiläum des Kirchenchores Cäcilia im Jahre 1975, kamen zustande.

Nach fast 20-jähriger Dirigententätigkeit entschloss sich Reinhard Höbelt, die Leitung des Chores 1991 -nach Erreichen vieler großartiger Erfolge- abzugeben.

Der junge Chorleiter Andreas Jung aus dem Sängerdorf Lindenholzhausen wurde am 10. Januar 1992 mit großem Anklang aufgenommen. Wie richtig diese Entscheidung war, stellte sich noch im gleichen Jahr heraus, als der Chor zum erstenmal in der nun 100jährigen Vereinsgeschichte den Titel „Meisterchor des Sängerbundes Rheinland-Pfalz“ erreichte.

Der positive Trend „1992 ‑ Meisterchor und erfolgreicher Besuch des Chorwettbewerbs in Aumenau “ sollte sich 1993 fortsetzen. Beim Gesangwettstreit in Obertiefenbach wurden alle möglichen ersten Plätze in der Klasse 4 A (35 ‑ 44 Sänger) erreicht. Liedauswahl und -vorträge kamen bei Publikum und Preisrichter sehr gut an und waren „Spitze“. Im gleichen Jahr konnten beim Chorwettbewerb in Wicker die Sänger, neben dem zweiten Klassenpreis und allen ersten Preisen in den übrigen Kategorien, den „1. Meisterpreis“ mit nach Hause nehmen. Im Protokollbuch ist zu lesen: „Im Anschluß wurde das Ergebnis und dieser großartige Erfolg in einer Straußwirtschaft gebührend gefeiert.“

1993 war nicht nur ein erfolgreiches Sängerjahr. Das alte Klavier hatte ausgedient und war nicht mehr zu reparieren. Über das Geschenk der Gemeinde Staudt, die Finanzierung des neuen Klaviers zu übernehmen, haben die Sänger sich sehr gefreut. Aber auch eine rechtliche Veränderung war unumgänglich geworden. Mit der Eintragung in das Vereinsregister führt der Verein seit diesem Jahr den Namen „MGV ‚Frohsinn‘ Staudt e.V.“

Beim Weinpreissingen in Wolfsheim 1994 wurden wiederum alle ersten Preise der Männerchorklasse 3 (bis 55 Sänger) errungen. Darüber hinaus erreichte man von allen 47 Wettstreitchören die dritthöchste Wertung. Mit einem wahren Beifallssturm honorierte das Publikum den Vortrag des amerikanischen Spirituals „l want to go to heaven“ mit den Solisten Walter Klaes und Hermann Kuch, das zuvor der MGV „Großwallstadt“ ebenfalls gesungen hatte.

Nach dem erfolgreichen Besuch des Wettbewerbes am 7. Mai 1995 in Frickhofen, nahm der Chor am 21. Mai 1995 sogar an zwei Chorwettbewerben an einem Tag in Villmar und Wirges teil. Mit allen ersten Preisen an beiden Veranstaltungen und dem Tageshöchstpreis in Wirges (Keramikpokal) blieb dieser Tag ein unvergessenes Erlebnis für die Sänger des „Frohsinn“ Staudt.

Verbunden mit dem 100-jährigen Gründungsfest erhielt der MGV „Frohsinn“ Staudt in Anerkennung seiner Leistungen im Auftrag des Bundespräsidenten die Zelterplakette. Diese Auszeichnung erinnert an den Begründer des deutschen Männergesangs Carl Friedrich Zelter (1758‑1832). Mit der Absicht, „die Geselligkeit durch die Sangeskunst zu veredeln“, gründete er 1809 die „Liedertafel“ in Berlin und institutionierte so den Männergesang.

Auch den Übergang zum 21. Jahrhundert hat unsere Verein gut überstanden, das hohe Niveau konnte gehalten und -entgegen dem weitverbreiteten Trend- neue Sänger gewonnen werden.

Kontinuität hat der Verein in seiner nun über 100-jährigen Geschichte dahingehend bewiesen, daß insgesamt nur 9 Dirigenten und 9 Vorsitzende den Verein bis dato geführt haben. Die stetig steigende Zahl aktiver Sänger sind vielleicht ein Beweis für eine Renaissance besonderer Art. Der Fortbestand des Chorgesangs in der Gemeinde Staudt ist jedoch nur dann zu garantieren, wenn jugendliche Sänger den Weg zum MGV „Frohsinn“ finden werden. Geselligkeit, Pflege alter und moderner Chorwerke, Beteiligung am kulturellen Ortsgeschehen, die Weiterführung alter Traditionen und Neuerungen auf musikalischem Gebiet sollten Ansporn und Aufgabe für die Zukunft sein.